Historie des Vereins

von Theodor Küllertz (um 1970)

Wenn auch im Laufe der Zeit das Schriftgut der Weimarer Imker, die unmittelbaren Vereinsprotokolle, verloren gegangen sind, so haben wir das große Glück, dass andere Quellen über die ersten Jahre des Weimarer Vereins berichten. In der „Weimarischen Zeitung“ vom 19. Juli 1837 unter der Rubrik Mannigfaltiges folgende Notiz:

„Bienenzucht. Zur Verbesserung und Einführung einer einträglichen Bienenzucht hat sich auf der Marienhöhe am Rödchen bei Weimar ein Verein gebildet und erfreut sich der Teilnahme aller in der Umgebung wohnenden Bienenzüchter und Bienenfreunde. Ungeachtet des Regenwetters war die zweite Versammlung am 15. des Monats sehr besucht.
Vorgetragen wurde von Pfarrer Küttner ein ausführlicher Aufsatz über den Grund der Weisellosigkeit der Bienen. Der Vorstand machte auf Mussehls neue Schrift über die Nuttische Lüftungs-Methode aufmerksam, insbesondere über die Aufgabe, wie die Nuttischen Bienenstöcke ebenfalls zweckmäßig aber minder kostspielig hergestellt werden können; dazu führte Kantor Kirsten zu Kleinkromsdorf in einem umfassenden Vortrag unter Vorlegen von Zeichnungen aus, wie sich bei den dazu gehörig vorgerichteten Strohstöcken nach Nutts Methode Lüftung anbringen lasse.
Ein von dem Vorstande, dem Rath Wangemann und dem Rentsamtmann Weber, eingeführtes Anfragebuch, in welches jedes Mitglied ein oder mehrere Anfragen einschreiben kann, die es zu seiner Aufklärung beantwortet zu haben wünscht, liefern Stoff zu belehrender Unterhaltung; in ein anderes, Buch der Erfahrung, hat jedes Mitglied jährlich wenigstens eine seiner gemachten Beobachtungen und bewährten Erfahrungen einzutragen, was zugleich das nützliche Wirken des Vereins beurkundet.
Schon haben die Lüfterstöcke nach Nutt, ob sie schon etwas theuer zu stehen kommen, in die entfernteren Kreise des Großherzogthums verbreitet und ihre Vorzüge bewähren sich immer mehr.
Die nach Angabe des geheimen Kammerraths Kruse, des Pfarrers Mussehl und des Kantors Kersten mit Lüftungs-Vorrichtung zu fertigenden, aber im Ankauf weniger kostspieligen Bienenstöcke sind einer weitern Prüfung unterworfen worden.“


Der vorstehend genannte Kruse versorgte den fünf Jahre vor der Gründung des Vereins 82 jährig verstorbenen Dichter (und einst auch Imker) J. W. v. Goethe mit Honig, denn im Tagebuch des Dichters vom 22. März 1829 ist vermerkt: „Herr Rath Kruse schickte vorzüglich schönen Honig.“ Und einige Tage später am 5. April schrieb Eckermann, Goethes Sekretär: “Goethe bewirtete mich zuletzt noch mit vielem Honig!“

Am 18. Oktober 1837 warb die Weimarische Zeitung: „Bei B. F. Voigt in Weimar ist soeben erschienen und in allen Buchhandlungen des Großherzogthums zu haben: G. Kirsten (Schullehrer in Kleinkromsdorf und Sekretär des Weimarischen Bienenvereins), Vollständige Anweisung zur einträglichen Betreibung der Bienenzucht, gegründet auf den mehr als dreißigjährigen Beobachtungen und Erfahrungen seines Vaters F. Kirsten und seiner eigenen, nebst einem Anhang über die verbesserte Nuttische Lüftungsbienenzucht, zum Nutzen aller Bienenfreunde herausgegeben. Mit 11 lithographischen Tafeln : ¾ Thaler.“

Ein gutes Honigjahr 1837 dürfte manchen Imkern den Kauf ermöglicht haben, denn in der Zeitung vom 30. Sept. 1837 stand folgendes Angebot: „Einige Zentner ganz feines Honig von diesem Jahr zum Füttern der Bienen pro Pfund 5 gr. (Groschen) sind bei dem Bäcker Zaubitzer zu Großkromsdorf zu verkaufen“. Das Buch war also für 3-4 Pfund Futterhonig zu haben.

Kirsten war eifriger Mitarbeiter der ersten deutschen periodisch erscheinenden Imkerzeitung, dem von A. Vitzthum 1838-1844 herausgegebenen und berichtete von der ersten Ausgabe an ausführlich über die Versammlungen des Weimarer Bienenvereins. Wegen des großen Einzugsgebietes des Vereins splitterte sich dieser ab 1840 auf. Kirsten (er verfasste noch weitere Imkerbücher und veröffentlichte in den späteren Bienenzeitungen) wurde wegen seiner pädagogischen Fähigkeiten aus dem kleinen Kromsdorf versetzt. Der Verein war dadurch seines rührigen Leiters beraubt und schlief zeitweilig ein. 1858 wurde der Verein als „Weimarer Bienenväter-Verein“ neu konstituiert. Um die Jahrhundertmitte bewirkten die Lehren des berühmten Schlesiers Dzierzon (1811 –1906) den allmählichen Übergang zu beweglichen Waben und die Einfuhr der von ihm als ertragreicher gepriesenen italienischen Bienenrasse. So wurde in Weimar 1860 eine „Aktiengesellschaft zur Einführung der italienischen Biene“ gegründet und die Verbastardierung der einheimischen dunklen Biene eingeleitet.

Obwohl bereits das Vereins- Statut von 1837 die Mitglieder verpflichtete „In den Versammlungen sich dem Zwecke des Vereins gemäß zu benehmen und jedem Mitglied, weß Standes solches sey, gebührende gesellige Achtung zu erzeigen; sonst aber bei etwa vorkommenden besonderen Fällen, sich dem Ausspruche und den Anordnungen des Vorstandes zu unterwerfen“ blieben in der Folgezeit Querelen nicht aus, die 1887 zur Spaltung des Weimarer Vereins führten. Fortan bestanden nun zwei Vereine; der neue Imkerverein und der alte, dessen Name, da es auch Imkerinnen gab, nunmehr „Bienenzüchterverein 1858“ lautete. In dem einen Verein fanden sich vornehmlich die Mitglieder des gehobenen Bürgertums wie Juristen, Pfarrer, Beamte, Gutsbesitzer usw. , im anderen mehr die Inhaber praktischer Berufe wie Kaufleute, Handwerker, Gärtner und Bauern.

Zwei Ereignisse beeinflussten von da an zunehmend nicht nur die Tätigkeit der Imker im Weimarer Gebiet sondern auch weit darüber hinaus: 1886 trat der 26 jährige Pfarrer Ferdinand Gerstung (1860-1925)im rd. 7 km östlich entfernten Ossmannstedt seinen Dienst an. Er brachte Strohkörbe und Hubersche Stäbchenbeuten mit und ließ sich dann einen Stand mit Berlepschen Dreietagern bauen. Seine Beobachtungen führten u.a. zur Entwicklung der Oberbehandlungs-Ständerbeute mit dem Rähmchenmaß von 41 x 26 cm. In vielen Vorträgen. Lehrgängen und in der von ihm 1893 gegründeten Zeitschrift „Die Deutsche Bienenzucht in Theorie und Praxis“ verbreitete er seine Lehren vom „Bien“ als Ganzes.

Im nahen Taubach begann der 7 Jahre jüngere August Ludwig (1867-1951) als Pfarrer zu wirken. Er wurde Gerstungs Schüler und später Freund.

Die Überzeugungskraft beider Männer in Theorie und Praxis, die Nähe ihrer Wirkungsstätten machten die Imker beider Vereine bald zu überzeugten Gerstung -Anhängern. So war der Boden hier bestens vorbereitet, dass Gerstung und Ludwig den “1. Allgemeinen Deutschen Imkertag“ zum 26./28. Juli 1902 nach Weimar einberufen und dort am Montag, den 28.7. den „Reichsverein für Bienenzucht“ unter der Leitung von August Ludwig gründen konnten. Verbunden war dieser Imkertag mit der 1. Ausstellung des „Landesvereins für Bienenzucht im Großherzogtum Sachsen-Weimar“ im „Brauhof“, an der sich rd. 150 Aussteller, darunter auch Imkerinnen, aus allen Teilen Deutschlands, selbst aus dem Ausland, wie Dänemark, Österreich usw. beteiligten. Allein 56 Zentner Honig von nah und fern waren beigebracht worden. Dieser Imkertag und die Ausstellung wurde von den Mitgliedern beider Weimarer Vereine mitgestaltet und betreut. Die Fülle historischer und moderner Ausstellungsgegenstände erweckte den Wunsch, sie zu sammeln und auszustellen. 1907 wurde dies Wirklichkeit und in Weimar das Reichs-Bienenmuseum gegründet.

Wenn es um gemeinsame Interessen ging, arbeiteten in der Folgezeit beide Vereine zusammen. So haben die Mitglieder beider Vereine regelmäßig bis zu ihrer nach der Machtergreifung Hitlers am 7. Juli 1934 veranlassten Vereinigung abwechselnd die Aufsicht im Sonntags geöffneten Bienenmuseum durchgeführt. Der vorerwähnte Brauhof war das Versammlungslokal des einen Vereins, der andere hatte bis 1951 sein Vereinszimmer mit Imkerbibliothek im „Thüringer Hof“, wo viele überörtliche Imkertagungen abgehalten wurden und 1927 auf einer Vorstandstagung des DIB die Einführung des Deutschen Honigglases mit Gewährstreifen beschlossen wurde. Die Vereinsgaststätten sind wie die Vereinsakten nicht mehr auffindbar. Die Vereinsbibliothek wurde später in die Bestände des Bienenmuseums eingegliedert.

Das Streben der Mitglieder, höhere Erträge zu erreichen, blieb nicht auf die o.a. Einführung fremder Rassen beschränkt. Bald erkannten einzelne Imker, dass die Bienen dazu an die Tracht gebracht werden müssen. Um 1900 verteilte der Weimarer Großimker Meller über 200 Völker in Gerstungständern auf 5 Dörfer rund um den Ettersberg zur Nutzung der damals reichlich vorhandenen Esparsettetracht3. Der Oberhofgärtner Sckell hatte vor dem 1. Weltkrieg einen Wanderwagen mit Gerstungbeuten. Mitte 1930 wanderten einzelne Imker in den nahen Thüringer Wald und in Spezialkulturen, wie Koriander. Schwärme wurden nach Süddeutschland verkauft. Gleichzeitig begann Nigra-Zucht auf unserer Belegstelle Müllershausen (zerstört bei Kriegsende).

Die Folgen des 2. Weltkriegs sind allgemein bekannt. Im Frühsommer 1945 mahnte im nahen Jena August Ludwig zum Wiederaufbau der Imkerei und gab Anfängern und Frauen von Imkern, die im Krieg geblieben oder noch in Gefangenschaft waren, Rat und Hilfe Der beharrliche Wiederaufbau begann. Bis Kriegsende waren in unserem Verein nur Thüringer Beuten, also Oberbehandlungsbeuten im Gerstungmaß, z.T. Gerstung verkürzt (37×26 cm) oder im Normalmaß stehend oder liegend vorhanden. Nun stießen zum Verein die zwangsumgesiedelten Imker, die mit handwerklichem Geschick ihre gewohnten Beuten bauten. Platzsparende Hinterbehandlungsbeuten wurden vermehrt aufgestellt. 1954 sah der Verfasser als BSS neben den altgewohnten Ständer- und -Lagerbeuten auch Beuten im Freudenstein und Kuntzschmaß sogar Layens-Trogbeuten.

Die Verbreitung der neuesten Erkenntnisse durch Bienenzeitung und Fachliteratur, durch Imkertage und Schulungen des Landesverbands, später der „Fachkommissionen Imker“ wurde eifrig genutzt. Die geänderten Trachtverhältnisse zwangen zu angepassten Betriebsweisen, verursachten den großen Aufschwung der Wanderimkerei und die Zucht und Verbreitung der sanftmütigen Carnica. 1947 wurde die Belegstelle Gräfinleite errichtet: gesichert mit einer Panzertür und 3m hohem frevelgeschütztem Ausflug für Dröhnerich und EWK. Als später mehrere Drohnenvölker Aufstellung fanden wurden die im Freien aufgestellten EWK oft von Sowjetsoldaten ihres Futterteigs beraubt. Die „Gräfinleite“ dient uns heute noch als Belegstand. Die Honigerzeugung der Carnicazüchter überzeugte. Unser Mitglied Georg Schmalenberg (1919-1982) wurde anerkannter Reinzüchter und stellte einige Jahre die Vatervolksippe für die Belegstation Oberhof. Immer mehr Weiseln wurden zu sicheren Belegstationen geschickt sodass ab 1965 im regelmäßigen Umtrieb jährlich etwa 1/3 der Völker mit belegstationsbegatteten Weiseln versehen wurden. Im Vereinsgebiet brachte die Standbegattung großflächig rassetypische Völker und wir hegten zeitweise die Hoffnung, mit den Nachbarvereinen zusammen Reinzuchtgebiet zu werden.

Die Imker des rd. 35 Jahre lang „ Imkersparte Weimar 1837“ genannten Vereins haben so unter den besonderen Bedingungen der Nachkriegs- und DDR-Zeit und mit Unterstützung der jeweiligen Obleute für Bienengesundheit, Wanderung , Zucht, Beobachtung und Bienenweide Ansehnliches geleistet. So gedieh unsere Bienenzucht und nicht zuletzt gab es immer wieder Imker, die über den eigenen Verein hinaus wirkten. Immer wieder fühlten und fühlen sich die Mitglieder mit Rat und Tat dem Bienenmuseum verpflichtet, das auch Versammlungsort ist.

An einem Thüringer Bienenhaus in der Nähe steht die Inschrift: „Dem Ganzen selbstlos dienen, das lehren uns die Bienen“. Unter einem Transparent mit diesem Motto haben die Weimarer Vereinsvorsitzenden, so auch der Verfasser, seine Vorgänger und Nachfolger zur Jahres-Hauptversammlung ihren Jahresbericht gegeben.

Drei Imker haben noch Gerstungbeuten. Die raumschaffenden Magazinbeuten gewinnen an Einfluss. Sie geben im Sinne Gerstungs dem Bien Platz für eine ordentliche Entwicklung. Sechs eifrigen jüngeren Vereinsmitgliedern ist zu wünschen, dass sie in 35 Jahren zusammen mit recht vielen Imkerfreunden die 200-Jahr-Feier des „Weimarer Imkerverein 1837“ erleben.

Hoffen wir, dass dann mehr Völker als heute reichlich sprießende Trachtquellen nutzen können.